Zurück aus München. Es war ein Blitzbesuch voller Mikrobegegnungen mit Makrowirkung. Viele alte Gesichter, ’ne Menge Neuer und Ausblicke, die schärfere Konturen erhielten. Ja, es geht was. Für regelmäßige Journal-Inhalte an dieser Stelle ist in Zukunft gesorgt (wenn mir das heiße Wetter nicht allzu oft das Zeichnen im Atelier zur Qual macht).
Wie im letzten Beitrag angedeutet, arbeite ich zurzeit an einer Kurzgeschichte, die schon lange in einer verstaubten Schublade vor sich hin gärte (über alte Ideen habe ich an dieser Stelle ja bereits ausführlich berichtet). Ich habe vor, daraus ein Webcomic zu machen. Die Geschichte heißt BEYOND (im Sinne des Inhalts am ehesten mit DARÜBER HINAUS zu übersetzen) und wird 16 Seiten umfassen – wobei ich mir mit der Seitenaufteilung und der Bildkomposition viel Freiheiten nehme, die mir das Internet ja auch gibt. Und das Ganze wird ohne Worte auskommen. Das Storyboard steht, die Figuren – wie man sieht – ebenfalls. Im Moment arbeite ich noch an den Entwürfen für die Kulissen. Die werde ich aber auch schon bald präsentieren können.
Wann genau der Comic online geht, kann ich noch nicht abschätzen. Das Projekt verstehe ich auch als Aufwärmarbeit für’s WIRTSHAUS IM SPESSART. Aber ich werde euch jedenfalls auf dem Laufenden halten.
Wie gesagt: Es geht was.
Bis bald also!
Und zu diesem fahre ich dieses Wochenende. Darum gibt’s diese Tage auch keine neue Skizze von mir. Dafür eine frische Figur – auch wenn der Kauz aussieht wie kurz vorm Kompost.
Dieser Geselle kommt in einer Kurzgeschichte vor, an der ich gerade arbeite. Nächste Woche verrate ich mehr.
Bis dahin ein dickes Prosit und viel Gemütlichkeit!
Zurzeit findet bei uns die ART BASEL statt, die weltgrößte Kunstausstellung. Es war also kein Kunststück, mir auszudenken, wohin es mich heute mit meinem Skizzenbuch verschlagen würde. Gerne hätte ich in den heiligen Hallen der Messe Basel gezeichnet, doch vor den Eingängen drängelten sich derart viele Kunstfreunde, dass ich es lieber bleiben ließ.
Also skizzierte ich einfach mitten auf dem Messeplatz. Und wie es bei so Kunstanlässen nun mal ist, gab es ’ne Menge gekünstelter Gestalten zu sehen – die ja auch eben gerne gesehen werden möchten. Nur wenn Horden von solchen Paradiesvögeln herumflattern, fällt niemand mehr so richtig auf.
Wahrscheinlich ist die größte Kunst heutzutage, normal zu bleiben.
Eigentlich wollte ich heute mein Comeback im Aquarell-Malen geben. Aber leider war es heute morgen doch etwas zu kühl dazu. Also blieb nur das heutige Motiv eine wässrige Angelegenheit: der Wasserturm von Basel.
Was mir an solch postkartenartigen Lokalitäten besonders gut gefällt, ist nicht das eigentliche Sujet, sondern der Umstand, dass dort kaum Leute anzutreffen sind. Nicht, dass ich etwas gegen spontane Begegnungen und Plaudereien hätte, im Gegenteil. Aber gerade an solchen Orten der Entspannung ist die Tatsache, dass der Mensch von heute bevorzugt im Netz der Spaßgesellschaft hängt, für einmal einfach nur willkommen.
Wo hat man denn heutzutage noch seine Ruhe?
Ich bin nicht ganz schwindelfrei. Darum war das Zeichnen ins Skizzenbuch für einmal nur spannend ohne das vorherige ent-.
Ich saß auf einer Mauer, 15 Meter über dem Boden. Alle Augenblicke drehte ich mich in paranoider Ängstlichkeit um, um mich zu vergewissern, dass sich kein Verrückter von hinten anschlich, um mich aus krankem Spaß in die Tiefe zu stoßen (ich sollte aufhören, Sensationspresse zu lesen).
Aber das Motiv war einfach zu verlockend. Allerdings erschwerte die schräge Perspektive meine Konzentration erheblich. Mir wurde es ziemlich schwindlig.
Aber was tut man nicht alles für ein schönes Bild …
Hier noch übrigens ein kleiner Blick auf die Arbeitsschritte.
Viele denken, sie müssten die spektakulärsten Motive für ihre Werke finden, die es gibt. Nur das verspricht Außergewöhnliches. Doch wie hat Sigfried Giedion treffend bemerkt?
»Auch in einem Kaffeelöffel spiegelt sich die Sonne.«
Die Kunst ist, aus dem Gewöhnlichen etwas Außergewöhnliches zu schaffen. Doch wie stellt man das an?
Wenn ich Bilder von Künstlern anschaue, die ich bewundere, kommt es mir so vor, als blicke ich in einen klaren, sternenübersäten Nachthimmel; ich fühle mich klein und unbedeutend. Es werden Gefühle in mir geweckt, die sich beim Betrachten meiner eigenen Bildern nicht bei mir einstellen. Und plötzlich ist alles, was ich selber produziere, durchschnittlicher Mumpitz für die Tonne.
Deprimierend, so was!
Ich kann noch so zufrieden mit meiner Arbeit sein, ich habe überhaupt keinen Einfluss darauf, wie diese auf andere wirkt. Aber im Grunde sollte es mir völlig egal sein.
Das ist nämlich wie beim Kitzeln: Tut man es bei sich selber, bleibt das Lachen aus.
Tatsache ist: setzt man 100 Künstler vor einen Apfel, kommen 100 verschiedene Bilder dabei heraus. Und mag die Qualität dieser Werke auch von schlecht bis genial reichen, etwas werden sie alle gemeinsam haben: Einzigartigkeit. (Hier wird das ganz wunderbar demonstriert)
Man sollte nicht allzu viel Gedanken darüber verschwenden, was man zeichnet, schreibt oder singt. Vielmehr sollte man sich darauf konzentrieren, wie man etwas darstellt. Nämlich einzig und alleine aus der eigenen Sicht. Denn das sieht niemand anders so.
Und das ist doch auch schon außergewöhnlich.
Ja, hätte das Basler Stimmvolk vor ein paar Jahren den spektakulären Neubau des Basler Stadt Casinos der irakischen Architektin Zaha Hadid angenommen, dann hätten wir heute tatsächlich ein Casino Royal. Doch leider müssen wir uns nun weiterhin mit einem Casino Wimpy begnügen.
Aber so ist unser schönes Basel eben: Am liebsten bis weit über die Stadtgrenzen auffallen, aber bloß nicht dabei auffallen.
Wenigstens spielte unsere Fußballmannschaft dieses Jahr wieder einmal königlich (für hiesige Verhältnisse) und wurde am Mittwoch Schweizer Fußballmeister. Und gefeiert wird dies traditionell auf dem Balkon des Basler Stadt Casinos.
Für mich war das die Gelegenheit für eine neue Zeichnung in meinem Skizzenbuch. Als ich mich aber vor das besagte Motiv setzte, herrschte ein derart geschäftiges Treiben, dass ich kaum etwas sehen konnte. Darum beschloss ich, ein wenig zu schummeln. Vor Ort habe ich also die groben Umrisse festgehalten, die Details zeichnete ich dann ab Fotos. Dabei nahm ich mir die Freiheit, die eher schmucklose Wandmalerei des Casinos aus aktuellem Anlass durch das Logo des FC Basel auszutauschen.
So strahlt die alte Kiste doch noch etwas Royales aus.
Manchmal hat man eine Idee, findet aber keine Motivation, diese auch umzusetzen.
Das mag daran liegen, dass sie zum Beispiel nicht zu einem passt, zu aufwändig, oder eben auch schlicht und ergreifend einfach schlecht ist.
Doch neulich fielen mir wieder ein paar alte Ideen in die Hände, die ich frustriert aus obigen Gründen weggelegt hatte, nun aber plötzlich in ganz anderem Gewand daher kamen. Der Grundgedanke bei diesen Einfällen war zwar derselbe geblieben, doch die Form, nach der sie verlangten, war plötzlich eine andere. Kümmerliche Einfälle waren auf einmal üppig, schwache Geistesblitze einschlagend und erdrückende Mammuteingebungen federleicht. Die Ideen hatten einen Reifezustand erreicht, der auf einmal die zu Beginn nicht vorhandene Motivation in mir kitzelte, sie in die Tat umzusetzen.
Mag sein, dass Ideen irgendwann auch überreif werden und nicht mehr zu gebrauchen sind. Jedenfalls befinden sie sich in ständiger Veränderung. Ein Prozess, der mich völlig fasziniert und ungeheuer spannend zu erleben ist. Darum darf man die Notizblätter, Skizzenbücher, Post-its, Servietten und was weiß ich noch was für Unterlagen, auf denen man seine Hirngespinste festgehalten hat, niemals entsorgen. Ein wahres Sakrileg bei Kreativen!
Das eigentliche Problem ist dann nur noch, Zeit zu finden, die ganzen Einfälle auch umzusetzen.
Eine gute Idee diesbezüglich wäre auch nicht schlecht.
Die Gedanken sind frei.
Das ist so ziemlich das einzig wirklich Freie, was wir haben. Doch es gibt immer wieder welche, die denken, man kann sich einfach so noch andere Freiräume schaffen. Wie zum Beispiel diejenigen, die vor ein paar Wochen das leer stehende alte Kinderspital besetzten, um einen freien Raum für Kunst und Kultur zu schaffen.
Grundsätzlich bin ich völlig damit einverstanden, leer stehende Gebäude mit Leben zu füllen und zu sehen, was sich dort entwickelt. Wünschenswert wäre es nur, wenn gewisse Leute dabei ihre freien Gedanken manchmal auch zu Ende denken würden. Denn leider – oder besser gesagt „Zum Glück“ – sind wir Menschen nicht alle gleich. Und wenn man einen Raum schaffen möchte, in dem alles für alle möglich ist, dann muss man eben auch damit rechnen, dass mächtig was schief gehen kann.
So geschehen an der anschließenden Party im besetzten Kinderspital. Neben der fröhlichen Feier wurde eben auch munter randaliert und zerstört, unter Anderem auch medizinische Apparaturen, die für Drittweltländer gedacht waren. Sinnbildlich für den Absturz der ganzen Aktion war der schwerer Unfall eines jungen Mannes, der vom Balkon aus dem zweiten Stock fiel. Tja …
Es reizte mich, das alte Kinderspital nach dieser krassen Fehlbesetzung, in meinem Skizzenbuch zu verewigen. Nur war das Gelände nach dem oben geschilderten Reinfall dermaßen von der Außenwelt abgesperrt, dass vom eigentlichen Gebäude kaum noch etwas zu erkennen war. Trotzdem – oder gerade deswegen – setzte ich mich hin und zeichnete los. Ab und zu schlichen zwar Wachmänner mit argwöhnischer Neugier um mich herum, ließen mich aber in Ruhe.
Nach einer Weile gesellte sich dann Rob Carey zu mir, mit dem ich mich lose verabredet hatte, um gemeinsam zu zeichnen. Nur fing es dann gleich kräftig zu Regnen an, und wir mussten uns zurückziehen.
Am Ende landeten wir im Acqua Basilea, wo wir den angebrochenen Skizziernachmittag damit beendeten, eine Ecke des Restaurants zu zeichnen.
Und obwohl wir nichts aßen und tranken, ließ man uns gewähren.
Manchmal ist man eben doch freier, als man denkt.
Super, oder?
Nur leider funktioniert dieser spaßige Kalenderspruch nicht.
Trotzdem wird einem dieses nervige Motto – in unterschiedlichster Form – ständig um die Ohren gehauen. Aber wenn man versucht, alles zu sein, was man will, wird man am Ende wahrscheinlich nichts.
Und das ist nicht gerade viel.
Als Junge habe ich mit kindlicher Unbekümmertheit einfach drauf los gezeichnet und geschrieben. Es fiel mir unheimlich leicht. Aber ich lebe eben in der Schweiz, und hier darf einem gefälligst nichts leicht fallen. Und weil man eben auch das Kind der Gesellschaft ist, in der man aufwächst, machte ich es mir also schwerer als es in Wirklichkeit war. Und gepaart mit dem obigen Zwang, auf Teufel komm raus, zu sein, was man will (oder eben zu zeichnen, wie man will), versank ich mehr und mehr im Stilbrei.
Und es kam, was kommen musste: Unsicherheit. Mein Stil wechselte ständig. Überflüssige Gedanken verkrampften meinen Strich. Jegliches Gefühl von Vergnügen wurde begleitet von Gewissensbissen, denn man arbeitet ja schließlich nicht zum Spaß.
Natürlich brachte das auch Vorteile. Ich konnte meinen Kunden immer genau den Stil bieten, den sie sich wünschten. Nur war das sehr unbefriedigend, und Persönlichkeit strahlten diese Arbeiten überhaupt nicht aus.
Der Frust ließ nicht lange auf sich warten. Meine Unzufriedenheit begann nicht nur meine Arbeit zu beeinträchtigen, sondern auch mein persönliches Umfeld. Irgendwann zog ich die Notbremse und steckte mir das Ziel, dass zukünftige Kunden nicht bloß einen Zeichner beauftragen, sondern explizit den Zatko wünschen sollten.
Dies setzte voraus, dass ich meiner Arbeit einen eigenen Stempel aufdrücken musste. Entweder der Kunde vertraut meiner Umsetzung, oder er lässt es bleiben. Das mag im ersten Augenblick arrogant klingen, bringt im Endeffekt beiden Seiten aber enorm viel – einem Elektromonteur erkläre ich schließlich auch nicht, wie er meine Waschmaschine reparieren soll.
Ich hörte wieder mehr auf mein Bauchgefühl und dachte nicht mehr darüber nach, wie ich etwas zeichnen sollte, sondern was. Aber dazu musste ich mich regelrecht zwingen. Meine Unbekümmertheit war ziemlich eingerostet. Ich fühlte mich entwurzelt, und es dauerte ziemlich lange, bis ich ein neues Beet gefunden hatte, in dem ich wieder festen Stand finden konnte. Doch dann war sie wieder da, die verschollen geglaubte kindliche Freude. Und die Einsicht, dass ich in erster Linie eigentlich kein Zeichner bin, sondern ein Geschichtenerzähler.
Sinn– oder eben Stilsuche ist schlussendlich wie die berühmte Reise, an deren Ende man erkennt, dass man das, was man zu finden hoffte, zuhause schon längst hatte.
Und so kommt man zur einfachen Erkenntnis, dass man eben doch nur das sein kann, was man ist.
Aber das ist am Ende doch eine ganze Menge.
Irgendwann is mal gut.
Hand verbrannt und Katze tot. Das hat eigentlich gereicht. Aber nun ist auch mein Ältester vom Rad gefallen (immerhin hat er im Alter ’ne sexy Narbe am Kinn), und ich hab mir übel den Rücken verknackst.
Aber ich begegne dieser Pechsträhne ganz nach dem Motto des großen Karl Valentin an: „Gar nicht erst ignorieren!“
Trotzdem komme ich mir in jüngster Zeit wie der letzte Affe vor. Da passt das Titelbild des neuen JAZAM-Comic-Sammelbandes „Traffic Jam“ ja ganz gut.
Und in der Rubrik ARBEITSPROZESS kann man sich meine Arbeitsschritte dazu ansehen.
Nebst der ANNA FINK plane ich ja bereits mein nächstes Buchprojekt. Viel möchte ich darüber nicht verraten, da es sich noch in einem sehr frühen Stadium befindet, aber die Thematik – zumindest zu Beginn der Geschichte – hat mich in letzter Zeit ein wenig verfolgt, so dass ich die Gelegenheit dazu nutzen möchte, endlich die Rubrik ARBEITSPROZESS meines Internetauftritts zu füllen.
Die Geschichte der neuen Buchserie beginnt in Paris, Ende des 19. Jahrhunderts. Bei der Recherche hat mich die damalige Zeit derart fasziniert, dass ich beschloss, bereits jetzt ein Titelbild anzufertigen. Dafür warf ich mich in passende Schale, um eine brauchbare Vorlage zu haben. Mittlerweile habe ich mich aber entschieden, bei diesem Projekt den Umschlag nicht selber zu gestalten, da ein gezeichnetes Motiv meine Meinung nach einfach nicht dazu passt. Außerdem kann mich nun auch ausschließlich auf die Geschichte konzentrieren.
Trotzdem ist das Bild vorzeigbar, wenn auch ohne den Hintergrund, der einfach zu viel vom Projekt verraten würde. Zugegeben, das ist ein bisschen fies von mir, aber ich kann hier ja immerhin auch tun und lassen, was ich will.
Aber das ist ja auch nicht der eigentliche Grund für meinen Artikel.
Als ich nämlich das Titelbild zeichnete, eröffnete mir meine Frau, dass sie mit ihrem Kollegium das 100 Jahr-Jubiläum von der Schule plane, an der sie arbeitet. Völlig gefangen von der besagten Epoche habe ich dann vorgeschlagen, aus Spaß an der Freude ein Plakat dafür zu gestalten.
Dieser Vorschlag wurde dankbar angenommen, und die Arbeit daran hat mir großes Vergnügen bereitet.
In der Rubrik ARBEITSPROZESS zeige ich nun also, wie ich das Plakat umgesetzt habe. Ich hoffe, es gefällt.
Ein unterhaltsamer Nebeneffekt beim Zeichnen im Freien sind die aufgeschnappten Gesprächsfetzen der Leute ringsum.
Als ich das Antilopenhaus des Basler Zoo zeichnete, habe ich die gesamte Bandbreite der menschlichen Artenvielfalt erleben dürfen. Links vom Antilopenhaus ist ein Okapi untergebracht, und viele Eltern blieben davor stehen, weil ihre Kinder es ulkig fanden. Natürlich wurde neugierig gefragt, was dass denn für ein Tier sei, und die Antworten der Mamis und Papis erzeugten bei mir das eine oder andere Stirnrunzeln.
90% erklärten, es handele sich um eine Antilope (falsch, das Okapi ist eine Giraffenart). Der Rest verlor sich in Mutmaßungen, die von Zebra bis „das ist so eine afrikanische Reh-Art“ reichten. Eine junge Frau meinte gar, das Tier sähe aus, als käme es aus einer anderen Zeit (wahrscheinlich von vorgestern, wie sie selber).
Diejenigen, die wussten, dass es sich um ein Okapi handelt, konnte man an einer Hand ablesen.
Aber niemandem wäre in den Sinn gekommen, kurz auf die Infotafel zu schauen. Man könnte ja etwas dabei lernen!
Den Vogel abgeschossen hat allerdings ein Vater, dessen Sohn (etwa 7 Jahre alt) ihm erklärte: »Guck mal, Papa, ein Okapi. Das ist eine Art Giraffe. Weißt du, warum das ein Männchen ist? Der hat auf der Stirn zwei Hörner. Die hat das Weibchen nicht.«
Anstatt über das Wissen seines Sohnes zu staunen, ihm dafür ein Kompliment auszusprechen und vielleicht irgendwelches Interesse für seine Ausführungen zu zeigen, meinte der Vater bloß: »Guck mal, die ulkigen Ohren von dem Vieh!«
Allerdings ist es auch wieder beruhigend, dass es nicht umgekehrt war.
Dieses Sprichwort musste ich dieses Wochenende wieder einmal am eigenen Leib erfahren. Zuerst verbrannte ich mir meine linke Hand, indem ich sie – aus einem unerklärlich dämlichen Impuls heraus – auf die heisse Herdplatte gelegt hatte, und einen Tag später wurde unsere Katze von einem Auto überfahren.
Elektra war ein super Kumpel und hatte sich immer tröstend an unsere kleinen Helden geschmiegt, wenn sie es nötig hatten. Danke, meine Gute, wir werden dich sehr vermissen. Und auf deine Schwester Nike werden wir ganz fest aufpassen, versprochen.
Tja, man kann das Leben planen und gestalten, wie man möchte, ab und zu gerät die eigene Welt unerwartet aus den Fugen. Aber auch aus diesem traurigen Ereignis wird etwas Gutes wachsen.
Zumindest will ich das so!
Endlich habe ich es mit meinem Skizzenbuch hinaus in die große weite Welt geschafft, zumindest ansatzweise. Basel ist zumindest in der Schweiz weltberühmt. Schützenhilfe bekam ich von einem anderen Künstler namens Rob Carey, einem Mitglied der fantastischen Urban Sketchers. Wir verbrachten den sonnigen Nachmittag gemeinsam zeichnend und sinnierend und beschlossen, in Zukunft häufiger zusammen zu skizzieren.
Der Barfüßerplatz ist ein wichtiger Ort in Basel. Der Treffpunkt schlechthin, um sich im Schmelztiegel am Rheinknie relativ zu vergnügen. Hier betrinkt man sich nicht aus Lust oder Frust, sondern aus Tradition. Meine Erinnerungen an diesen Platz reichen von wunder- bis grauenvoll – das pralle Leben eben.
Mit der Ideenfindung habe ich mich ja bereits schon mal kurz auseinandergesetzt. Aber als ich am Wochenende die unten stehende Zeichnung gemacht habe, kam mir dazu ein zusätzlicher Gedanke.
Die Statue fand ich als 11-Jähriger beim Spielen in der Wolfsschlucht (wer meine Anna Fink kennt, wird der Name ein Begriff sein). Sie war unter einem überhängenden Wurzelgeflecht unter einem Haufen Blätter verscharrt. Kaum hatte ich sie einigermaßen vom Dreck befreit, wollte sie mir ein bierbäuchiger Passant für 2 Franken abkaufen. Natürlich lehnte ich ab und machte mich sofort aus dem Staub.
Als ich mir das geheimnisvolle Fundstück zuhause näher betrachtete, wirbelten mir sofort Fragen durch den Kopf: Handelte es sich dabei um Diebesgut, das auf der Flucht hastig in der Schlucht versteckt worden war? Wenn ja, was war aus dem Dieb geworden? Wem gehörte die Skulptur? Warum befand sich außer ihr nichts anderes unter dem Laub?
Sich abenteuerliche Antworten auf diese Fragen auszudenken, machte mir ungeheuer viel Spaß. Jedes mal, wenn ich den kleinen Soldaten betrachte, kommt mir ein neuer Gedanke über seine Geschichte in den Sinn, aufregender, als die Wahrheit es je sein könnte.
Seither erinnert mich die Skulptur daran, dass man nicht nach Ideen suchen braucht. Wenn man die Augen und Ohren offen hält, stolpert man immer wieder über eine neue.
Sie festzuhalten und umzusetzen, ist ein anderes Paar Schuhe.
Heute Nacht ist es wieder mal passiert.
In einer ungewollten Wachphase kam mir eine brillante Idee. So herausragend, dass ich mir sicher war, ich müsste sie nicht notieren; am nächsten Morgen würde sie mir garantiert wieder einfallen.
Pustekuchen!
Nach jahrelanger Erfahrung werde ich noch immer Opfer dieses Trugschlusses. Natürlich notiere ich mir meine Einfälle, doch nicht so konsequent, wie es nötig wäre.
Nachdem der Ärger über die verlorene Idee verflogen war, habe ich mir sofort einen handlichen Notizblock besorgt, den ich nun stets griffbereit in der Hosentasche herumtrage.
In Zukunft wird mir keine Idee mehr abhanden kommen!
Bei diesem Entschluss fragte ich mich plötzlich, was für Ideen wohl bei anderen verloren gegangen sind. Waren es welche, die zur Lösung der Probleme der Welt beigetragen hätten? Gab es darunter auch Bösartige, die Angst und Schrecken verbreitet hätten. Wie wird das in Zukunft sein, wenn der technische Fortschritt einmal so weit sein wird, dass wir unsere Gedanken speichern können und somit keine Idee mehr verloren gehen kann? Ein gleichermaßen aufregender wie beängstigender Gedanke.
Wie auch immer es sich entwickeln wird, ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen und an dieser Stelle all den unbekannten Ideen gedenken, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht festgehalten werden konnten.
Wir haben euch zwar vergessen, denken aber gerne an euch zurück.
Viele Leute denken ja, Comiczeichner und Illustratoren führen ein aufregendes Leben.
Wunschdenken! Meist sitzen wir einsam in unseren Ateliers und kritzeln stundenlang – streng nach Zeitplan – beharrlich vor uns hin, bis eine Nackenstarre eintritt (wie bei mir kürzlich).
Davor und danach wird getrunken, gegessen und geschlafen.
Hammeraufregend!
Die Wahrheit ist, das wirklich Spannende passiert bei uns nur auf dem Papier. Aber das genügt uns völlig.
Mir jedenfalls.
Aber damit ich ab und zu auch wieder einmal rauskomme, habe ich beschlossen, mindestens einmal in der Woche an der frischen Luft zu zeichnen. Das lüftet das Hirn und lockert die Kreativität.
Ich werde hier also ab heute wöchentlich wenigstens eine Zeichnung von der Außenwelt präsentieren. Die Erste ist ein Blick auf meinen Garten. Die Hütte rechts hinten ist übrigens mein Atelier. Okay, besonders weit bin ich beim Luft schnappen noch nicht gekommen. Aber das nächste Mal schaffe ich es bestimmt weiter.
Neulich wurde mir ein bemerkenswerter Nebeneffekt beim Schreiben erstmals so richtig bewusst: Das völlige Eintauchen in das Leben meiner Charaktere.
Ich verbringe täglich Stunden mit meinen Figuren, kümmere mich um ihre Sorgen und Nöte, teile ihre Freude und ihr Leiden. Wenn ich dann abends heimkehre, bin ich davon meistens noch völlig mitgerissen. Das geht manchmal sogar so weit, dass ich im ersten Moment nicht fähig bin, meiner realen Familie die ihr verdiente Aufmerksamkeit zu schenken.
Natürlich beschleicht mich dabei ein schlechtes Gewissen, auf der anderen Seite jedoch auch eine gewisse Zufriedenheit. Es ist das Gefühl, meine Figuren würden wirklich existieren, was sie umso glaubhafter macht. Aber dieser Effekt hat auch etwas beängstigendes. Ich habe einmal gehört, dass Schauspieler nach einer Aufführung für einen geraumen Zeitraum Narrenfreiheit genießen. Dies, weil sie dermaßen in ihrer Figur stecken, dass sie für ihr Handeln nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Vielleicht ist das ein Mythos, aber falls es tatsächlich der Wahrheit entspricht, so kann ich es doch auf eine gewisse Art nachvollziehen. Allerdings erwarte ich von meiner Familie natürlich kein Verständnis dafür, wenn ich mich von gewissen Haushaltspflichten mit der Begründung drücke, ich sei noch zu sehr davon erschüttert, wie entsetzlich eine meiner Figuren beim Kampf gegen ein Ungetüm gelitten hat.
Gleichwohl. Dieser Effekt fasziniert mich ungemein. Es ist, als ob mich meine Berufung nie wirklich loslässt. Es ist im wahrsten Sinne eine Leidenschaft.
Ich frage mich, ob dies nur denjenigen passiert, die das Glück haben, das tun zu dürfen, was sie wirklich lieben. Dies mag anmaßend klingen, aber ich bezweifle irgendwie, dass der Mitarbeiter eines Fastfoodrestaurants auch so was erlebt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich während des Feierabends noch viele Gedanken über das Schicksal der verkauften Fritten und Burger macht. Natürlich wirkt jede Arbeit am Ende des Tages nach, und man beschäftigt sich mit den Dingen, die man währenddessen erlebt hat, aber das meine ich nicht. Es geht mir eher um das Gefühl, dass man eins wird mit dem, was man tut. So sehr, dass man große Mühe hat, sich davon zu lösen.
Wie ist das bei euch? Inwiefern beeinflusst euer Beruf eure Gefühle und Gedanken? Das nähme mich wirklich wunder.
P.S.: In der Rubrik „Kurzgeschichten“ gibt es eine neue … genau: Kurzgeschichte!