Journal
«
»
IN DER RUHE LIEGT DIE UMSETZUNG

In-der-Ruhe

Was ich an Filmen mag, sind die Bewegungen der Schauspieler. Selbst in den stressigsten Szenen wirken ihre Handlungen bewusst und wohl durchdacht. Natürlich ist so eine Körper- und Geistesbeherrschung das Resultat akribischer Vorbereitung, aber trotzdem versuche ich, mir daran ein Beispiel zu nehmen. Warum? Nun, weil ich einerseits tollpatschig bin (es grenzt an ein Wunder, dass ich mir noch nie einen Zeh gebrochen habe, so oft wie ich die an Tischbeine stoße), und andererseits, um die Umsetzungen meiner Ideen in bewusstere Bahnen zu lenken.

Dazu mahne ich mich zur Langsamkeit. Ich zügle meinen Drang, auf der Stelle an meinen Schreibtisch zu hetzen und loszulegen. Die Gefahr, dass ich mit einer zu übermutigen Realisierung einer Eingebung die Kreativität verscheuche, anstatt ihr Zeit zu geben, wie ein Hefeteig aufzugehen, ist zu groß. Also gehe ich erst mal mit der Idee schwanger und lasse sie wachsen. Das ist verdammt anstrengend, aber es lohnt sich. Denn wenn die Idee richtig reif ist, setzt sie sich fast von alleine um.

Zeichnen-1

Konfuzius hat mal gesagt: »Such dir einen Beruf, den du liebst, und du wirst dein Leben lang nicht arbeiten.«

Da hat der Gute wirklich Recht, und ich bin unsagbar froh darüber, das Glück gehabt zu haben, dass meine Leidenschaft auch wirklich mein Beruf geworden ist. Ich kann mir wirklich fast nichts Schöneres vorstellen, als mich in mein Atelier zurückzuziehen und loszulegen. Früher hatte ich deswegen tatsächlich ein schlechtes Gewissen, denn wenn ich an einem Fest Unbekannten von meinem Beruf erzählt habe, war ein gewisser Neid häufig zu spüren – ich habe dann manchmal einfach gesagt, ich sei Kaufmännischer Angestellter, das ersparte mir bohrende Fragereien und Missgunst. Aber es passierte auch, dass ich anfing, mir selber Steine in den Weg zu legen, nur damit ich auch mal sagen konnte: »Heute war wieder mal ein Scheißtag im Büro!« Das ließ ich aber bald bleiben. Mir geht es blendend, und dazu stehe ich!

Jetzt bin ich ein wenig abgeschweift, aber das hat seinen guten Grund. Kreativ zu sein heißt für mich, sich völlig vom Alltag zu lösen und sich komplett einer Idee hinzugeben. Das wird einem oft ziemlich schwer gemacht – vor allem in diesen Breitengraden –, und es war für mich ein hartes Stück Arbeit, bei der Umsetzung einer Idee nur noch auf mich zu hören. Die äußeren Einflüsse der Gesellschaft, in der man lebt, sind prägender, als sich so mancher eingestehen will. Und wir leben in einer Gesellschaft, in der einfach alles rasend schnell gehen muss. Da bleibt einiges auf der Strecke. Ich arbeite zwar schnell und effizient, aber eben mit Bedacht und Ruhe.

Zeichnen-2

Jeder Mensch hat sein Tempo. Manchmal geschieht es, dass mir das Zeichnen fremd vorkommt, nicht vertraut. Das liegt daran, dass ich mein Tempo nicht einhalte. Ich erkenne mein Tempo am Widerstand des Papiers, wenn mein Stift darüber streicht, und am Geräusch, das dabei entsteht. Auch erkenne ich es, wenn ich plötzlich im Motiv eintauche, es beinahe fassbar und lebendig wird. Mein Atem wird gleichmäßig und eine wohlige Ruhe umgibt mich. Ein Gefühl völliger Entspannung, aus der schwer wieder rauszufinden ist.

Denn natürlich holt der Alltag einen wieder ein, spätestens dann, wenn der Einkauf, das Aufräumen und sonstige Verpflichtungen vor der Tür stehen. Aber bis dahin habe ich mich in ein schönes Motiv gezeichnet (oder geschrieben), ganz langsam und bewusst.

Ich bin froh darüber, dass mir das immer besser gelingt. Fast wie im Film.

Zeichnen-3


  1. Gwinna 12:41 am 11.September 2009

    Hallo Boris,

    das ist wirklich ein inspirierender Beitrag, der mir -denke ich- grad ein Stück weit geholfen hat. Ich hatte schon lange nicht mehr dieses Gefühl von Ruhe und „Eintauchen“ bei einem Bild und ich denke, ich will zu schnell zu viel auf einmal. Deshalb Danke für den Tipp und auch das schöne Bild, das dabei herausgekommen ist.
    Aber auf dein Tutorial warte ich trotzdem schon ungeduldig 😉

    LG
    Gwinna


  2. Boris 12:41 am 11.September 2009

    Liebe Gwinna,

    herzlichen Dank für die netten Worte. Und es freut mich, dass dir mein Artikel weiter hilft. Wie ich ja geschrieben habe, ist es aber ein hartes Stück Weg, nur auf sich selber zu hören und vor allem zu vertrauen – für mich war es zumindest so. Vorher war ich zu kopflastig, einfach nicht dort, wo ich sein wollte. Ich drücke die Daumen, dass du dir die Zeit nimmst, die deine Ideen von dir verlangen!

    Und die gewünschten Arbeitsprozesse kommen bestimmt. Einfach dran blieben! Näheres folgt bald in der Rubrik „Alben“.

    Viele liebe Grüße

    Boris


  3. Erik 12:41 am 14.September 2009

    Hallo Boris, zu meiner Schande hab ich Deine Website gerade erst entdeckt. Sie ist klasse, und jetzt hab ich endlich auch mal Comicseiten von Dir gesehen (wunderschön sind die), hoffentlich kommen bald noch mehr dazu.

    Und was Du hier gerade geschrieben hast, schreib ich direkt ab und notiere es mir hinter die Ohren.

    Viele Grüße
    Erik


  4. Boris 12:41 am 14.September 2009

    Lieber Erik,

    danke für das Lob! Von dir nehme ich das sehr gerne an, merci! Und es werden noch einige Comic-Seiten folgen, keine Sorge. Ich arbeite ja am Wirtshaus im Spessart, welches 2011 erscheint. So gesehen gibt’s noch einiges an Augenfutter. Bist du eigentlich an der Frankfurter Buchmesse? Wenn ja, dann könnten wir uns vielleicht treffen. Dann kann ich auch kontrollieren, ob du dir den Text tatsächlich hinter die Ohren geschrieben hast. Das müssen aber Löffel sein, mein Guter ;-)!

    Viele liebe Grüße

    Boris


  5. jamie oliver 12:41 am 15.September 2009

    Lieber Boris. Das sind wahre Worte finde ich. Geht mir im Idealfall auch so. Da ich viel unterwegs bin, zeichne ich oft einfach den ganzen Tatendrang mit Skizzen nieder, warte dann ein paar Tage und fange erst an wenn ich genau weiss was ich möchte. Und dann kommt auch der FLOW, ich arbeite dann ohne Müdigkeit zu spüren gemächlich vor mich hin. Weder langsam noch schnell, nur sehr ausdauernd.

    Leider klappt die Vorgehensweise nicht immer. Einige Sachen wollen im Kopf nicht richtig sichtbar werden, andere Dinge sehen auf Skizzen doof aus, manchmal bringen viele Störungen den Flow durcheinander.

    Und… ich würde auch gerne paar Comics sehen…


  6. Boris 12:41 am 16.September 2009

    Das ganze geht ja auch nicht von heute auf morgen. Man muss mehr auf die Idee selber hören, ihr vertrauen, die Kontrolle ein wenig abgeben. Die führt einen dann schon ans Ziel. Als ich anfing, in diese Richtung zu arbeiten, brauchte ich Monate, bis ich das zugelassen habe. So gesehen soll man einfach nicht aufgeben. Das tun viel zu viele viel zu häufig.

    Und Comics kommen bald! Bestimmt.

    Viele liebe Grüße

    Boris


Kommentar hinterlassen