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DAMIT KENNE ICH MICH AUS

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Unverschämt viele Leute reden von Dingen, von denen sie nix verstehen. Das mediokre Mitreden ist vor allem bei gesellschaftlichen Anlässen ein nicht ignorierbares Übel. Man sollte meinen, opportunistisches Dabeiseinwollen würde durch damit verbundene peinliche Erlebnisse in der Pubertät ausgemerzt, aber leider lernen die meisten Menschen nicht aus ihren Fehlern. Ich habe auch meine Fehler, aber ich halte lieber den Mund und höre zu, wenn es um etwas geht, wovon ich keine Ahnung habe, denn dann lerne ich vielleicht etwas dazu.

Beim Schreiben und Zeichnen ist es dasselbe. Da hat man eine gute Idee, aber anstatt bei der Umsetzung die Hintergründe auszuleuchten, schreiben und zeichnen die meisten einfach drauf los. Am Ende kommt nur gequirlter Matsch dabei heraus, und man fragt sich zurecht: Hat der Typ überhaupt Ahnung von dem, was er da erzählt?

Um solch ein hartes Urteil zumindest abzuschwächen, ist Recherche das Beste, was es gibt. Einfach drauflos Kritzeln, ohne zu wissen, was man da eigentlich zu Papier bringt, ist der Tod jeder Eingebung.

Aber Recherche bedeutet auch immer eine Reise ins Ungewisse, denn es kann gut sein, dass man bei eingehenden Studien merkt, dass die Idee aufgrund gewisser Fakten nicht umsetzbar ist. Oder aber, das Thema wird so komplex, dass einem die Arbeit daran zu erdrücken droht. Dann muss man entscheiden, ob man sich auf ein solches Abenteuer einlässt, oder aber, ob man doch lieber bei seinen Leisten bleibt. Meistens trennt sich genau hier die Spreu vom Weizen.

Die Fülle an offenen Fragen kann abschreckend wirken, aber man sollte sich einer solchen Expedition stellen, denn was dabei heraus kommt, ist meist mehr, als man am Anfang zu erfahren hoffte, selbst dann, wenn man die ursprüngliche Idee am Ende fallen lassen muss. Ich liebe Recherche, denn sie steckt voller Überraschungen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist meine Adaption vom „Das Wirtshaus im Spessart“. Ich wollte schon lange diesen Comic zeichnen, aber als es dann konkret zur Sache ging, war ich doch ein wenig erschlagen von dem, was da alles dran hing. Es reicht hier bei Weitem nicht, einfach nur lustige alte Kostüme, ein unheimliches Wirtshaus und ein paar Räuber Hotzenplotze zu zeichnen, das Resultat würde einfach lächerlich. Also entschied ich mich für eine Recherche vor Ort, packte meine Koffer und verbrachte eine Woche im Spessart-Wald.

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Klar, es gibt Bücher und das Internet, aber das kann niemals die Eindrücke aufwiegen, die man sammelt, wenn man selber in die Materie eintaucht, die Atmosphäre und den Geruch am Ort des Geschehens aufnimmt. Man lernt neue Leute kennen, entdeckt frische Sichtweisen auf das Thema und erfährt Dinge, die einem einen neuen Zugang zur Geschichte ermöglichen.

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Ist man zu Beginn einer Recherche erdrückt von Unwissenheit und dem Zweifel, auf die Flut an Fragen auch die richtigen Antworten zu finden, so treibt einen der Erfolg bei den ersten Schritten zu immer detaillierteren Kenntnissen. Jede neue Entdeckung macht zuversichtlicher, jedes gelungene Nachfragen spornt an. War man am Anfang noch ein eingeschüchterter Schuljunge, reift man nun immer mehr zum Experten.

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Man verliert sich in Details, die mit der eigentlichen Geschichte nichts zu tun haben, sie aber bei der finalen Umsetzung umso glaubhafter machen.

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Am Ende platzt der Kopf beinahe von all den Eindrücken und neuen Erkenntnissen. Da tut es gut, die kreative Rumpelkammer ein wenig auszulüften und sich ein wenig gehen zu lassen. Mein Glück damals war, dass zu der Zeit, als ich im Spessart war, überall Oktoberfeste stattfanden. Eigentlich nicht mein Ding, aber wenn man tagelang das Männlein im Walde war, so tat es doch gut, mit einem Bier anzustoßen und von Dingen zu labern, von denen man eigentlich keine Ahnung hat.

So gesehen ist es dann auch okay, dabei zu sein.

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  1. Valentino 12:41 am 8.November 2009

    Boris, das trifft meine eigenen Gedanken so sehr, dass ich gar nichts dazu ergänzen kann – außer, dass mir die Recherche-Fotos richtig gut gefallen und ich mich jetzt noch mehr auf „Das Wirtshaus im Spessart“ freue als davor schon 😉


  2. Boris 12:41 am 8.November 2009

    Na, das schmeichelt mir aber, danke :-)! Übrigens habe ich deinen Doppelbeitrag gelöscht, ich denke, das geht in Ordnung, oder? … Anonsten hoffe ich, dass meine Gedanken deine in Zukunft genauso punktgenau treffen wie der oben beschriebene!

    Übrigens! Kommst du auch an die Buch09? Bist, wenn ich es recht in Erinnerung habe, gar nicht so weit weg von Basel, oder irre ich?

    Viele liebe Grüße

    Boris


  3. Valentino 12:41 am 8.November 2009

    Ja, das geht in Ordnung ;D

    Die Buch09 würde ich mir gerne anschauen, allerdings bin ich kommendes Wochenende bereits eingespannt … wird also vermutlich nichts draus – leider!


  4. Boris 12:41 am 9.November 2009

    Na, die nächste Buch wird ja kommen :-).

    Viele liebe Grüße

    Boris


  5. sascha 12:41 am 10.November 2009

    Ich wollte mich mal für die informativen Beiträge der letzten Zeit bedanken.
    Mir „spukt“ schon seit einer Weile die Idee für ein Kinderbuch im Kopf herum und Du ermutigst mich darin, die Idee ausreifen und bei der Umsetzung die nötige Sorgfalt walten zu lassen …


  6. Boris 12:41 am 10.November 2009

    Na, so ein dickes Lob tut aber gut. Danke :-)!

    Ja, es ist immer eine große Hürde, die man vor sich sieht, wenn man ein neues Projekt angeht. Aber andere kochen auch nur mit Wasser und brauchen ihre Zeit, auch wenn es manchmal nicht so aussieht. Ich wünsche dir auf alle Fälle Ausdauer und drücke die Daumen! Und schön, dass ich da ein wenig helfen konnte.

    Viele liebe Grüße

    Boris


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